Chur 2023 - Story
Die Idee für das Bild «Chur 2023» stammt natürlich aus Chur. Also aus derjenigen Kantonshauptstatt, wo es neben Twin-Towers auch eine HR Giger Bar gibt und die Haupt-Postautostation/Busbahnhof direkt über dem Bahnhof liegt. Bei der Ankunft in der Postautostation bestaunte ich das imposante, allesüberspannende gläserne Gewölbe mit den, unter dem Dach angebrachten, auffallenden Gruppen von Lichtreflektoren. Ein Foto, eine Skizze und schon war die Idee für das Bild «Chur 2023» geboren.
Am 4.4.2023 startete ich um 06.00h am Bahnhof Willisau. Mit der Bahn ging es nach Wolhusen, durch das Entlebuch und weiter nach Bern. In Trubschachen war die Dämmerung schon so weit fortgeschritten, dass die ersten Umrisse von Häusern zu sehen waren. Gemäss Wetterbericht stand ein Tag mit viel Sonne und tiefen Temperaturen bevor. Nach einem kurzen Aufenthalt in Bern, ging die Bahnfahrt mit dem vom hohen Norden kommenden und bis fast auf den letzten Platz besetzten Zug in Richtung Mailand weiter. Hinter Spiez die Rechtskurve um den Niesen und weiter nach Frutigen, wo der Lötschberg Basistunnel beginnt. Im Wallis angekommen rollt der Zug schon bald über die Brücken der Rotten (Rhein) und Vispa. Kurz vor der Einfahrt in den Bahnhof Visp sah ich an der linken Flanke des Vispertal-Ausgangs die Weinberge auf dem Schlusselacher (nicht ü!). Für mich kam nach der ersten Bahnfahrt durch den Lötschberg Basistunnel gleich auch die erste Bahnfahrt durch den Simplon-Tunnel. Wunderbares Wetter, beidseits der Alpen. Im weiten Talboden um Domodossola waren bereits Frühlingsboten erkennbar. Einzelne Bäume zeigten sich im frischgrünen Blätterkleid und rangen zusammen mit den hellgelb leuchtenden Forsythien-Sträuchern um die staunenden Blicke der Bahnreisenden.
In meinen Vorstellungen gab es zwischen Domodossola und Locarno eigentlich nur das Centovalli mit der Centovalli-Bahn. Nun weiss ich, dass zwischen Domodossola und Locarno die beiden Täler Valle Vigezzo und Centovalli liegen. Die Centovalli-Bahn und der Fluss Melezza verbinden die beiden Täler.
Um 09.25h verliessen wir Domodossola und fuhren mit der «Centovalli-Bahn» hinauf und hinein in das Tal der Maler – Valle Vigezzo. Die meisten Bäume tragen um diese Jahreszeit noch keine Blätter und erlauben so vielerorts einen Blick hinter die Kulissen! Brauntöne dominieren die Landschaft. Die Bahn fährt auf der Südseite des West-Ost ausgerichteten Tales. Dies ermöglicht beste Sicht auf die stark bewachsenen und von der Sonne bestrahlten nördlichen Abhänge. In besonerer Erinnerung bleibt mir das auf einer Sonnenterrasse liegende Dorf Comino mit der markanten Kirche am rechten Dorfrand. Das enge Tal weitet sich gegen die Mitte hin, wo auf der Ebene die Ortschaft Santa Maria Maggiore liegt. Nach Malesco verengt sich das Tal und nach zirka 10 Kilometern passiert die Centovalli-Bahn die Grenze Italien-Schweiz.
Das Centovalli ist eine dicht bewaldete, bergige Landschaft, aus der zerklüftete Felsen emporragen. Das tief eingeschnittene Tal der Melezza ist nördlich und südlich von Bergketten umgeben. Bei Palagnedra ist die Melezza zu einem ca. 4 km langen schmalen See (Lago di Palagnedra) aufgestaut. Die Sicht auf den Stausee wird während der Vorbeifahrt leider fast immer von dichten Wäldern verdeckt. Gemäss Information eines Mitreisenden gibt es bei der Bahnstation Verdasio (530 müM) zwei Seilbahnen. Die eine führt auf den nördlich gelegenen Monte di Comino (1146 müM), die andere hinauf zum südlich gelegenen, charmanten Dörfchen Rasa (896 müM). Beides Aussichtspunkte und Ausgangsorte für unvergessliche Wanderungen. Wanderwege entlang des Flusses Melezza, wie man dies etwa aus dem Maggiatal kennt, gibt es leider nicht. Im Centovalli fährt die Bahn auf der sonnigen Nordseite des Tals. Wenn die Bahn ein Seitental überquert ist hie und da auch die Melezza ganz unten sichtbar. Die Sicht auf die stark bewachsene Südseite des Tals, mit den unzähligen Seitentälern, ist meistens frei. Bei genauem Hinschauen lassen sich auch die vielen Transportseilbahnen erkennen, welche über das tiefe Tal zu den kleinen Dörfern über den gegenüberliegenden Steilhängen führen. Am Ende des Centovalli befindet sich der Ort Intragna mit dem schon von weitem sichtbaren, höchsten Kirchturm im Tessin (Höhe: 65 m/166 Granitstufen). Von Intragna führt eine Seilbahn hinauf nach Pila und Costa, Ausgangspunkte für idyllische Wanderungen, vorbei an Weingärten und alten Kastanienbäumen. Nach Intragna öffnet sich das Tal in Richtung Osten. Nun gibt es Wanderwege entlang der Melezza. Die Bahn fährt durch Cavigliano, Verscio, Tegna, über die «Ponte Brolla» und anschliessend entlang der Maggia in Richtung Locarno. In Locarno heisst es dann: «Alles aussteigen. Bitte!»
Von Locarno geht es mit der Tessiner S-Bahn TILO (Ticino Lombardia) durch die Magadino Ebene nach Bellinzona.
Nach einer Stunde Aufenthalt in Bellinzona dann die Postautofahrt nach Chur. Bei schönem Wetter ein einmaliges Erlebnis. Gleich hinter Bellinzona geht die Fahrt durch das stark bewaldete, idyllische, bezaubernde, italienischsprachige Bündner Tal Misox. Im unteren Teil werden Reben angepflanzt. In der Mitte befinden sich die grösseren Orte Soazza, Mesocco und Pian San Giacomo mit Gewerbe und etwas Industrie. Im oberen Misox gibt es vor allem Landwirtschaft/Alpwirtschaft mit Rindern, Ziegen und Schafen. Die zwei älteren Ehepaare, gleich neben mir, unterhielten sich während der ganzen Fahrt in Rätoromanisch; eine seltsam klingende und bodenständig anmutende Sprache. In der Region Pian San Giacomo mäandert die Autostrasse das Tal in Richtung San Bernardino empor. Beste Sicht auf die noch mit Schnee bedeckten Bergflanken links und rechts des Tales. Die Fahrt über die grossen, talüberquerenden Brücken eröffnet den weiten Blick zurück in das wunderschöne Valle Mesolcina. Nach einem kurzen Halt in San Bernardino durchfahren wir den zirka 6.5 km langen San Bernardino-Tunnel. Die alte Passstrasse mit dem Ospizio befindet sich ungefähr 400 m über dem Tunnel.
Nach dem San Bernardino-Tunnel führt die Autostrasse entlang am Hinterrhein (Rein Posteriur), durch die Roflaschlucht und Viamala nach Thusis. Das nachfolgende Domleschg ist angeblich das Tal mit der grössten Burgendichte Europas. Am unteren Ende des Domleschg befinden sich die beiden Orte Rhäzüns und Bonaduz. Bei Tamins überquert die Autostrasse den Zusammenfluss von Hinterrhein und Vorderrhein (Rein Anteriur). Vorbei am Ems Werk und weiter nach Chur, der ältesten Stadt der Schweiz.
Die anschliessende Heimfahrt via Walensee, vorbei am Hochmoor Rothenthurm, dem Zuger- und Vierwaldstättersee entlang nach Luzern, endet in Willisau.
Übrigens, die zwei älteren Ehepaare wohnen in Zürich und kommen ursprünglich aus dem Engadin.
Auch während dieser Tagesreise gab es bei den Bussen/Postautos und Bahnen keine einzige Verspätung. Super!
Für zukünftige Urlaubstage merke ich mir die Bergbahnen und Wandermöglichkeiten im Centovalli, das Misox/Val Calanca und die Region Domleschg/Viamala.
Die vielen Fotos, Notizen und Skizzen aller Art, werden mich noch lange an diese schöne Tagesreise erinnern. |