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New York City 140 E 52nd 2013 - Story

Anfang Dezember 1992, an einem kalten Winterabend auf dem Menzberg/Alpengruss, erhielt ich einen Anruf aus Monaco. «Hast du Interesse an einem Job in New York … wenn ja … Entscheid innerhalb von 2 Tagen». Mein «Ja» kam noch bevor die Stimme am anderen Ende den Satz zu Ende gesprochen hatte. Ich habe mir schon gar nicht erst die Zeit zum Überlegen genommen.

Die Wohnungseinrichtung, erst vor kurzer Zeit mühsam auf den Menzberg geschleppt, wurde wieder eingepackt und eingestellt oder gleich entsorgt. Und schon bald standen 2 Koffern für die Reise nach New York bereit.

Auf der nach Süden ausgerichteten Alpengruss-Terrasse lass ich Bücher zum Thema New York, studierte Karten und träumte mich in das kommende Big-Apple-Jahr hinein …

Kurz vor Weihnachten 1992 besuchte ich Vitra in Birsfelden und Weil am Rhein. In der Folge vertiefte ich mich in die Vitra Büroprodukte und bereitete mich so auf die einwöchige Einführung im Januar 1993 in der Vitra Produktion in Weil am Rhein vor.

Eine kurze Geschichte über einen "Engel im Big Apple"

Am 25. Januar 1993 flog ich, mit 2 Koffern, zum ersten Mal nach Amerika.

Der Landeanflug über New York, bei schönstem Wetter, verleihte mir einen ersten Eindruck über die tatsächlichen Dimensionen dieser Mega-Metropole. Ich sah eine ganze Reihe der bekannten Gebäude, Brücken, Flüsse und Inseln. Ich klebte am Fenster und staunte, bis das Flugzeug auf dem JFK Airport aufsetzte und die Manhattan Skyline hinter den Flughafengebäuden verschwunden war.

Wetter Schweiz: Die ersten drei Januar Wochen waren frühlingshaft warm. Am 25. Januar kam dann die frische Polarluft über das Land und am 26. Januar gab es den ersten Schnee.

Flug-Ticket

Jetzt stand ich, zusammen mit vielen anderen Ankömmlingen vor dem JFK Flughafen, in der Warteschlange für ein Taxi in Richtung Manhattan. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich lediglich ein Besucher Visa, welches den legalen Aufenthalt in den Staaten auf maximal 90 Tage beschränkte. 

Gegenüber der Einwanderungsbehörde war ich ein Besucher, welcher zuerst Freunde in New Haven besucht und danach während 3 Monaten die Ostküste der Staaten von Norden nach Süden bereist.

Ende März 1993 war ich im Besitz des Arbeitsvisa (L 1A) und konnte einen Antrag für die Social Security Card stellen. Diese wiederum war die Voraussetzung für die Eröffnung eines Bankkontos und die Lohnzahlungen. Als ich im Besitze des Arbeitsvisa war, konnte ich den für Anfang April geplanten Rückflug auf Ende Dezember 1993 verschieben.

Ich arbeitete den Visa Antrag zusammen mit einem Anwalt in der Wallstreet 14 aus. Das erste Meeting mit dem Anwalt fand am 26. Februar statt, am Tag, als im 400 Meter entfernten World Trade Center die erste Bombe hochging. Ich verliess das Down Town Area um 12.00h mit der Subway in Richtung Long Island City. Um 12.18h ging die 600 kg Bombe hoch.

Gleich nach meiner Ankunft führten mich meine Vitra Arbeitskollegen in die Besonderheiten bei der Wohnungssuche im Raum New York ein. Fortan kaufte ich die relevanten Tages- und Wochenzeitungen und ackerte mich durch die Wohnungsinserate. Während den ersten beiden Wochen besichtigte ich morgens und abends in fast allen Stadtteilen mögliche Wohnungen/Studios; gross, klein, vom Keller bis zum Dachgeschoss, Wohngemeinschaften, Zimmer, möbliert, leer, alt, neu, unter und über 1000$ Monatsmiete, etc. All dies ohne Erfolg aber mit insgesamt mehr Durchblick und Klarheit bezüglich dem gewünschten Objekt.

Fortan suchte ich nur noch nach einem möblierten Studio in Manhattan. Am Freitag, 12.2.1993, stiess ich in der New York Times (NYT) auf ein Inserat, dessen Inhalt genau meinen Vorstellungen entsprach. Ein Studio in den «50zigern» und «East», also genau dort, wo man mit den öffentlichen Verkehrsmitteln einfach und schnell nach Long Island City (Arbeitsort) kommt.

Ich griff sofort zum Telefon und wählte die im Inserat angegebene Manhattan Nummer. Ein «Hello» ertönte von der anderen Seite. Eine tiefe, von Bestimmtheit geprägte Frauenstimme verriet mir, dass ich es wohl mit einer Vermieterin/Landlady zu tun haben werde. Ich stellte mich vor und liess die Dame am anderen Ende wissen, dass ich mich für das in der NYT zur Vermietung ausgeschriebene Studio interessiere. Am Ende des Telefongesprächs kannte ich den Namen der Dame «D.E.» und auch die genaue Adresse des Studios «140 E 52nd / Between Lexington Avenue and Third Avenue». Wir vereinbarten ein Treffen für den folgenden Tag, Samstag, 13.2.1993, 14.00h. Noch am selben Abend ging ich nach Manhatten und schaute mir den Ort an. Gleich neben der Haustüre befand sich damals ein "Chinese Restaurant" und ein Deli mit Fertigmenüs sowie Esswaren und Getränken aller Art. Auf der gegenüberliegenden Strassenseite der Eingang zur Subway und ein Blumenladen. Und dazwischen, am Strassenrand, stand jeweils am Morgen ein fahrbarer Kiosk mit Kaffee, Bagels (... mit Cream Cheese!) und Kuchen … am Abend mit Hot Dogs, Falafel  und Getränken aller Art. Gehdistanz zur 5th Avenue und Central Park zirka 5 Minuten und 10 Minuten bis Grand Central Station (Hauptbahnhof für Reisen in den Norden) und Times Square/Broadway. Einfach perfekt! Ich ging zur Grand Central Station und von dort mit der Metro North nach New Haven. Dort wohnte mein Chef. In seiner Familie wurde ich während den ersten Wochen herzlich aufgenommen.

Am Samstag traf ich D.E., eine ältere, sehr freundliche, vom Leben gezeichnete Dame am Eingang «140 E 52nd». Die Landlady war mir auf den ersten Blick sehr sympatisch. Sie führte mich durch die dunklen Gänge, vorbei am Lift, hinauf zum «3rd Floor». D.E. blieb vor der Wohnungstüre stehen, schaute mich luftholend an und meinte, «Der Lift wird gerade repariert». Sie griff mit der rechten Hand in ihre übergrosse Handtasche und bevor ich ihn sah, hörte ich schon die Grösse des Schlüsselbundes … ein Riesending.

140 E 52nd ... View from Above

140 E 52nd ... Street View

Und nun standen wir im Studio. D.E. verschwand kurz hinter der Eingangstüre und erklärte mir dann später, dass sie im Schrank die Alarmanlage ausschalten musste. Da war ein Eingangsbereich mit einem Tisch. Eine Stufe tiefer, im gleichen Raum, war der Wohn- und Schlafbereich mit Fensterfront. Küche und WC/Dusche lagen auf der Höhe des Eingangs mit jeweils einem Fenster. Komplett möbliert, Küche eingerichtet und auch sonst fehlte es an nichts. Wir setzten uns im Wohnbereich. Dort erfuhr ich, dass D.E.  baskische Wurzeln und eine Tochter hat, geschieden ist, in der Madison Avenue in verschiedenen Agenturen gearbeitet hat und heute in der Upper East Side wohnt. Wir haben uns sofort sehr gut verstanden und schon nach einer Stunde war für D.E. klar, dass ich die Wohnung bekomme. Die weiteren Besichtigungen für diesen Nachmittag hat sie gleich bei meiner Anwesenheit telefonisch abgesagt. Ich bekam noch eine Bedenkzeit bis am kommenden Montag, 10.00h.

Natürlich habe ich mir diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. Am Montag habe ich D.E. das Ok gegeben. Am Dienstagabend stand ich um 18.00h mit meinen beiden Koffern vor dem Hauseingang in der 52nd Street. Und da kam auch schon D.E. Im Studio angekommen, erledigten wir auch gleich das Geschäftliche: Miete, Wasser, Strom und TV. Weiter fügte D.E. an: "Kein Mietvertrag, kein Kontakt mit dem Hauswart, beim Hauseingang wird nur der Name D.E. erwähnt, keine separate P.O. Box."

Ich informierte D.E., dass ich lediglich ein Besucher Visa habe und deshalb, ohne Social Security Card/Bankkonto, vorerst nur in bar bezahlen könne. Dies schien D.E. nicht zu beunruhigen. Sie liess mich dann wissen, dass der Eigentümer und andere Stellen keine Kenntnis über die Untervermietung haben! Alles geklärt … Handschlag … ! D.E. griff in die Tasche und stellte einen Weisswein und Snaks auf den Glastisch im Wohnbereich. Jetzt teilte sie mir mit, dass sie bei der Post jemanden kennt, und so meinen Namen mit ihrer P.O. Box in Verbindung bringen könne. Natürlich kannte sie im 1930 erbauten Haus auch den seit über dreissig Jahren zuständigen Hausmeister.

Am Donnerstag, 18.2.1993, erhielt ich von D.E. eine Einladung zum Nachtessen in ihrer Wohnung in der Upper East Side. Ich kaufte für sie einen grossen, bunten Blumenstrauss (im Blumenladen in der 52nd Street). Während dem feinen Nachtessen (Eintopf) erzählte sie mir aus ihrem Leben und gab mir viele Tipps für den Aufenthalt in New York City/Manhatten. Bevor ich wieder hinunter in die 52nd Street ging erfuhr ich auch noch, dass sie eine besondere Vorliebe für den «Chivas Regal/12 Years» pflegt. 

Als ich am Freitag, 19.2.1993, abends, zurück ins Studio kam, war der Kühlschrank mit Esswaren gefüllt. Sie hatte mir verschiedene Menüs vorgekocht und abgepackt. Am Kühlschrank war eine Liste, welche im Detail über die einzelnen Menüs Auskunft gab.

Die Folgewoche genoss D.E. mit einer Freundin in Florida.

Als D.E. wieder zurück in Manhattan war, zeigte sie mir, wo man was am besten einkaufen kann. In den einzelnen Foodstores führte sie mich durch die Regale und gab Empfehlungen ab. Sie stellte mich dem Chinesen in der Wäscherei vor. Sie ging mit mir durch die Poststelle. Sie zeigte mir die Bank ihrer Wahl. Und natürlich wusste ich am Schluss des Rundgangs auch, wo man in der näheren Umgebung gut isst.

Nach der Durchsicht von mehr als 5000 Inseraten hatte ich meinen Engel im Big Apple gefunden.

Eine Landlady, wie sie besser nicht hätte sein können.

Heute ist sie über 90 Jahre alt und lebt in Florida.

Übrigens, der Lift war auch am 22. Dezember 1993, am Tag meiner Abreise aus NYC, noch immer in Reparatur.

In den Jahren danach besuchte ich D.E. mehrmals in Manhattan … jedes Mal mit einer Flasche Chevas Regal … same age … 

Esswaren im Kühlschrank

Liste 1

Liste 2

 

Und immer wieder hing am Kühlschrank eine neue Liste!

 

Ich war definitiv in NYC angekommen!

Nun konnte ich mich hie und da auch wieder den Geschehnissen in der Heimat zuwenden ...

Der rege Fax- und Briefverkehr füllte während der NYC-Zeit ganze Ringordner.

 

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